Zwei Jahreszeiten
Im Habitat von Astrochelys radiata gibt es zwei Hauptjahreszeiten, die sich vor allem im Tag-Nacht-Temperaturgefälle und der Niederschlagsmenge unterscheiden.
Ein madagassischer Sommer umfasst die Monate September bis Mai. Während dieser Zeit ist es sehr heiss und meistens trocken. Obwohl die Regenzeit von November bis März dauert, kommt es in manchen Gebieten nur selten zu Niederschlägen. Gelegentlich kann es aber in ausgetrokneten Zonen plötzlich zu sehr starken und ausgiebigen Regenfällen kommen. Die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit bleiben im Sommer sowohl am Tag als auch in der Nacht immer im tropischen Bereich.
Der Winter dauert in Madagaskar von Juni bis August. Die Temperaturen sind tagsüber etwas moderater, jeoch ist auch diese Jahreszeit von extremer Trockenheit geprägt. Saisonal wehen vor allem im südlichen Verbreitungsgebiet von Astrochelys radiata kühle Winde, und es können nachts Temperaturen von weniger als 10°C vorkommen. Das Tag-Nacht-Temperaturgefälle kann im Winter über 20°C betragen. Die Tiere haben dann nur während des Tages Gelegenheit, sich an der Sonne wieder aufzuwärmen. Bei lange andauernden, kühlen Temperaturen oder extremen Dürreperioden ziehen sich die Strahlenschildkröten in geschützte Verstecke zurück, um Energie und Ressourcen zu sparen.
Zum Vergleich die jahreszeitlichen, durchschnittlichen Klimadaten aus Tulear, Madagaskar (nach Müller 1996):
Temperaturen im Indoorbereich während der kalten Jahreszeit
In unseren Breitengraden können im Winter die notwendigen Klimafaktoren nur in geschlossenen Anlagen im Haus, gut isolierten Wintergärten oder Gewächshäusern realisiert werden. Damit ein madagassischer Sommer während des europäischen Winters in einem Innenraum nachempfunden werden kann, ist ein hoher, technischer Aufwand nötig. Um Energie zu sparen, haben wir die Wände unseres Schildkröteninnenraums mit dicken Kühlhauselementen ausgekleidet, die eine hohe Toleranz gegenüber Wärme und Feuchtigkeit aufweisen. Aufgrund der guten Isolation halten sich die Temperaturen auch ohne Heizung in der Nacht lange im gewünschten Bereich. Am Boden ist eine partielle Bodenheizung unter den Fliesen eingearbeitet, die an kalten Wintertagen für eine gleichmässige, konstante Raumtemperatur sorgt. Zwei grosse Dachfenster, durch die natürliches Tageslicht fällt, erwärmen den Innenraum noch zusätzlich. Mehere, grosse HQI Strahler 400W sowie einige Lucky Reptile Bright Sun Desert Strahler 150 Watt, sorgen für zusätzlich Licht und Wärme.
Während der kalten Jahreszeit (Oktober bis März) herrschen in der Schildkrötenindooranlage folgende Temperaturen:
Temperaturen in den Schutzhütten während der warmen Jahreszeit
Ein madagassischer Winter entspricht von den Temperaturen her in etwa einem besseren mitteleuropäischen Sommer, allerdings mit deutlich mehr Sonnenstunden und ohne Niederschläge. Das bedeutet, dass Strahlenschildkröten im europäischen Sommer, bei guter Witterung so oft wie möglich im Freiland gehalten werden sollten. Bewölkte, regnerische und kühlere Tage müssen mit Hilfe von beheizten Gewächshäusern oder Frühbeeten überbrückt und kompensiert werden. Strahlenschildkröten zeigen in einer geschützten, trockenen Umgebung (z.B. Gewächshaus) gegenüber kühlen, nächtlichen Temperaturen eine hohe Toleranz. Während des europäischen Sommers ist jedoch penibel darauf zu achten, dass die Tiere keiner kalten Bodenfeuchtigkeit ausgesetzt sind. Tiefe Temperaturen in Kombination mit andauerndem, kaltem Niederschlag, wie wir es in Europa kennen, kommen im Südwesten von Madagaskar nicht vor! Der Organismus von Strahlenschildkröten ist deshalb nicht für diese Wetterkonstellation gewappnet und reagiert mit Irritation und Stress. Zum einen signalisiert kühler Regen den Tieren aktiv zu werden und zu trinken, zum anderen sind die Temperaturen zu tief um auf Betriebstemperatur zu kommen. Diese kontraindizierten Impulse wirken sich ungünstig auf die Gesundheit aus. Auch die Übermässige Aufnahme von kaltem Regenwasser in einer kalten Umgebung beeinflusst ungünstig den Stoffwechsel. Eine Ausnahme bilden Wärmegewitter im Sommer. Diese sollte man die Tiere tagsüber unbedingt erleben lassen.
Während der warmen Jahreszeit (März bis Oktober) haben sich in den Schutzhütten folgende Temperaturen bewährt:
In der Temperaturgestaltung sollte man unbedingt berücksichtigen, dass Astrochelys radiata in ihrem natürlichen Habitat auch Jahreszeiten kennt. Einer der häufigsten Haltungsfehler in diesem Zusammenhang ist, dass die Tiere das ganze Jahr bei relativ konstanten, hohen Temperaturen und einer zu geringen Luftfeuchtigkeit gehalten werden. Vorallem für die Fortpflanzug und die Fruchtbarkeit der Weibchen scheint das anbieten von Jahreszeiten wichtig zu sein. Wir vermuten, dass durch die saisonalen Licht- und Temperaturunterschiede der hormonell bedingte Eireifezyklus beeinflusst wird.
FAQ zum Themenbereich Temperatur
Strahlenschildkröten gehören in der warmen Jahreszeit, bei sonnigem und trockenem Wetter immer in ein Aussengehge! Unter der Voraussetzung, dass die Sonne scheint, sich das Aussengehege an einer Südlage befindet und die Tiere sich in einem beheizten Frühbeet oder Gewächshaus aufwärmen können, dürfen Strahlenschildkröten bereits ab 15°C Aussentemperatur ins Freigehege. Nur bei längeren Perioden mit nass-kalter Witterung und tiefen Temperaturen sollten sich Strahlenschildkröten ausschliesslich in beheizten, abgeschlossenen Schutzhäusern oder im Innengehege aufhalten.
Scheint die Sonne, lassen wir unsere Tiere bereits Anfang März für wenige Stunden ins Freigehege, damit sie ausgiebig UV Licht und frische Luft tanken können. Über Mittag hat es dann vielleicht milde Temperaturen von 15 bis 20°C. Manchmal liegt im Freigehege auch noch vereinzelt etwas Schnee, was die Tiere aber nicht zu stören scheint. Spätestens ab 16 Uhr müssen sich aber alle Tiere wieder im beheizten Schildkrötenhaus befinden. Die Nacht wird in den Übergangszeiten immer in einem beheizten und geschützten Innenraum verbracht!
Warme und trockene Sommer dürfen unsere Strahlenschildkröten Tag und Nacht im Freigehege verbringen. Im Hochsommer bleiben alle Licht- und Heizelemente in den Frühbeeten und im Innengehege ausgeschaltet. Die Dachklappen der Frühbeete für die Jungtiere stehen dann immer offen, um einer Überhitzung vorzubeugen. In Sommern mit tropischen Nächten verschliessen wir auch den Eingang zum Innengehege für die adulten Schildkröten, damit sie möglichst naturnah im Aussengehege unter Büschen übernachten können.
Um optimal vom natürlichen Sonnenlicht zu profitieren, versuchen wir auch im Herbst den Aufenthalt im Freigehege möglichst lange zu ermöglichen. Bleibt das Wetter sonnig und trocken, können Strahlenschildkröten tagsüber auch bis Ende Oktober Streifzüge im Freigehege unternehmen. Die Nächte sollten die Tiere dann aber immer in beheizten und verschlossenen Schutzhäusern verbringen. Spätestens wenn die Kraft der Sonne nachlässt, die Aussentemperaturen unter 15°C sinken und es zu andauernden, nass-kalten Wetterlagen kommt, müssen Strahlenschildkröten bis zum nächsten Frühjahr in das beheizte Winterquartier gebracht werden.
Achtung!: Strahlenschildkröten stammen aus einer subtropischen Klimazone. Ihr Körper hat deshalb keine physische Anpassung und Voraussetzung um eine saisonale Kältestarre, wie sie z.B. europäische Landschildkröten abhalten, zu überleben. Der Versuch eine Strahlenschildkröte zu überwintern endet für das Tier tödlich! Bitte informieren Sie sich vor der Anschaffung ausführlich über die Bedürfnisse und Haltungsbedingungen dieser Tiere!