Reizgesteuerte Kämpfer
Bei Temperaturen über 30 Grad Celsius, einer erhöhte Luftfeuchtigkeit von 80% und bei Anwesenheit von Weibchen geraten adulte Männchen im Revier leicht in Turnierlaune. Vorallem dominante Männchen rempeln dann vermehr ihre Artgenossen an und vertreiben dadurch subadulte Tiere. Treffen aber zwei gleich starke Rivalen aufeinander, kommt es zum spektakulären Kräftemessen. Dabei versuchen die Kontrahenten mit ihrem Gularschild den Panzer des Rivalen anzuheben und auf den Rücken zu drehen. Mit eingezogenem Kopf und angewinkelten Hinterbeinen hämmern die Männchen aufeinander ein, jedoch wird praktisch nie gebissen. Verfolgen beide Männchen den gleichen Kampfstil und versuchen ihren Gegner von der Seite her anzuheben, entsteht eine tanzartige Kreisbewegung. Manchmal sind auch Männchen zu dritt oder viert in einen sochen Kampfreigen involviert. Diese kreisförmigen Kampfspuren zeichnen sich sichtbar im sandigen Untergrund von Turnierplätzen ab. Um Dominanz zu demonstrieren, reiten die Männchen auch auf kleinere Männchen auf und versuchen sich mit diesen zu paaren.
Im Kommentkampf unterlegene Männchen werden von den Turnierplätzen vertrieben, jedoch nicht wirklich weiter verfolgt. Nimmt die grösste Hitze ab, werden unterlegene Männchen vom aktuellen, dominanten Alphatier auch wieder problemlos toleriert. Die gleich grossen Männchen in unserer Zuchtgruppe vermöbeln sich manchmal während Stunden, sind jedoch am darauf folgenden Tag wieder gut aufeinander zu sprechen. Dennoch ist es sehr wichtig, dass sich die Tiere jederzeit aus dem Weg gehen können und dass allzu agressive Artgenossen auch mal abgetrennt werden können. Der Sieger eines Kampfes hat das Paarungsvorrecht. Das im Kommentkampf hochstimmulierte Alphamännchen schreitet auch vermehrt erfolgreich zur Paarung. Interessanter Weise werden diese ritualisierten Kommentkämpfe immer wieder von neuem ausgetragen, und das Alphamännchen kann durchaus nach Tagen wieder von einem anderen gleich grossen und starken Männchen abgelöst werden.
Manchmal zeigen auch geschlechtsreife Weibchen während der Paarungszeit ein aggresives Verhalten und vertreiben kleinere Artgenossen oder versuchen auf diese aufzureiten. Es ist vorstellbar, dass dieses dominante Verhalten mit einem aktiven Eireifezyklus in Verbindung steht und durch gewisse Hormone ausgelöst wird.
Als Kommentkampf wird in der Verhaltensbiologie ein ritualisierter Kampf bezeichnet, bei dem die Verletzungsgefahr der Kontrahenten relativ gering ist. Kommentkämpfe weisen eine genau festgelegte – und daher für die Kontrahenten weitgehend vorhersehbare – Abfolge von Verhaltensweisen auf; sie sind im Tierreich weit verbreitet, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Festlegen der Rangordnung innerhalb einer Gruppe von Tieren oder im Verlauf eines Balzrituals. Das Charakteristische am Kommentkampf ist, dass während der Kampfhandlung gleichzeitig Mechanismen der Aggressionshemmung wirksam sind, so dass die Kämpfenden eine ernsthafte Verletzung des Gegners vermeiden. Meist wird der Kampf beendet, sobald einer von beiden seine Unterlegenheit signalisiert und damit beim Überlegenen eine Aggressionshemmung auslöst.
Bei Astrochelys radiata werden Kommentkämpfe hauptsächlich durch äussere Reize ausgelöst, wie zum Beispiel die Zunahme von Tageslicht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Aber auch die Anwesenheit und der Geruch von adulten Artgenossen kann zu einem Kommentkampf stimulieren.